#MUTmacher der Digitalisierung

„Man braucht Mut, Dinge auszuprobieren und schnellere Entscheidungen zu treffen“ 

– Interview mit bofrost* CIO Catalin Barbulescu

In den vergangenen Jahren hat bofrost*, der europäische Marktführer im Direktvertrieb von Eis- und Tiefkühlspezialitäten, in Sachen Digitalisierung einen großen Schritt nach vorne gemacht. Zum Beispiel haben die Verkaufsfahrer jetzt ein 8-Zoll-Tablet mit State-of-the-Art-Software – anstelle von MDE-Gerät, Handy und Listen. CIO Catalin Barbulescu hat die Transformation entscheidend vorangetrieben und beeinflusst maßgeblich den laufenden Change-Prozess. Im Interview gibt er seine Erfahrungen weiter: Wie entwickelt man Produkte, die von den Mitarbeitenden begeistert genutzt werden? Was hilft, wenn das Business zu viele Wünsche gleichzeitig hat? Und was zeichnet ein transformatives Mindset aus? Wir wünschen viel Freude beim Lesen!

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Über bofrost*

bofrost* steht seit über 55 Jahren für erstklassige Qualität, herausragenden Service und vor allem individuelle Beratung. Das 1966 gegründete Familienunternehmen mit Hauptsitz in Straelen am Niederrhein ist heute mit 251 Niederlassungen in 12 europäischen Ländern der europäische Marktführer im Direktvertrieb von Eis- und Tiefkühlspezialitäten. 4,3 Millionen Kundinnen und Kunden, davon rund 2,3 Millionen in Deutschland, wissen die lückenlos geschlossene Tiefkühlkette und die erstklassige Frische, aber auch die Reinheits- und Geschmacksgarantie zu schätzen. Nachhaltigkeit, der verantwortungsvolle Umgang mit den Ressourcen der Natur und soziales Engagement sind wichtige Bestandteile der Firmenphilosophie.

 

Seit Unternehmensgründung setzt sich bofrost* für Kinder in Not ein. In den vergangenen Jahren hat das Unternehmen durch das Engagement seiner Kundinnen und Kunden und Mitarbeitenden verschiedene Projekte für hilfsbedürftige Kinder mit insgesamt über 13 Millionen Euro allein in Deutschland unterstützt. Seit 2016 ist bofrost* Partner der „Stiftung RTL – Wir helfen Kindern
e. V.“

 

Mehr Informationen zu bofrost*, den Produkten und Dienstleistungen finden Sie unter www.bofrost.de.

Sie verfolgen mit bofrost* eine ganzheitliche digitale Transformation. Was verstehen Sie darunter?

Barbulescu: Es geht nicht darum, zwei bis drei Systeme zu erneuern, sondern um komplette, tiefgreifende Veränderungen in einem Bereich, um dann die gesamte Organisationsstruktur, die gesamte IT-Architekturlandschaft und die gesamte Art und Weise, wie wir miteinander arbeiten, zu verändern.

Das hat viel mit dem Selbstverständnis auf IT-Seite zu tun. IT war immer ein Lieferant, musste bestimmte Themen schnell und günstig umsetzen. Mir war es wichtig, die Augenhöhe mit dem Business herzustellen – eine eins-zu eins-Beziehung für jede Business-Abteilung. Die Bereichsleiter und Geschäftsführer können jetzt mit ihrem eigenen IT-Counterpart-Team sprechen. Wir haben also die gesamte Organisationsstruktur der IT verändert, sehr stark in die IT investiert und eine neue Zielarchitektur definiert.

Wo stehen Sie bei der Transformation aktuell?

Barbulescu: Vor kurzem konnten wir das Häkchen an die Erneuerung des letzten Systems setzen. Aber wer glaubt, dass damit alles getan ist und man sich jetzt ausruhen kann, wird definitiv enttäuscht (lacht). Die Transformation, dieses Mindset der ständigen Veränderungen muss in unserer DNA verankert werden. Die Welt ist heute sehr dynamisch und unsicher. Wir müssen immer bereit sein, den nächsten kleinen Schritt Transformation zu gehen.

Ganz wichtig ist dabei, dass der Reifegrad von Business und IT aufeinander abgestimmt ist. Es bringt nichts, wenn wir schneller sind als das Business – oder umgekehrt. Die Synchronität ist entscheidend. Deshalb haben wir manche Projekte zurückgestellt oder IT-interne Strukturen geradegezogen, um andere Projekte starten zu können, auf die das Business händeringend gewartet hat. Diese Art der Kommunikation macht fünfzig Prozent meines Jobs aus.

Was waren bis jetzt die wichtigsten Meilensteine der Transformation?

Barbulescu: Einer der ersten war ein neues Lagerverwaltungssystem. Die gesamte zentrale Lagersteuerung hing an einem kleinen PC, der seit zwanzig Jahren nicht mehr angefasst worden war. Das war riskant und musste sofort geändert werden. Hierzu haben wir schnell eine neue Lösung geliefert.

Für unsere Verkaufsfahrer haben wir eine neue moderne Lösung geschaffen, die ihren gesamten Arbeitsablauf verbessert. Vorher hatten sie ein kleines MDE-Gerät, dazu ein älteres Handy und Listen, die sie händisch ausfüllen mussten. Jetzt haben sie nur noch ein einziges Gerät: ein 8-Zoll-Tablet mit State-of-the-Art-Software. Darin sind alle Prozesse integriert, von der Auftragsabwicklung bis zu den Zahlungen. Auch für sie relevante Informationen über Kunden, Produkte, Touren sind übersichtlich verfügbar.

Für die Verkaufsfahrer ist das ein wesentlicher Schritt nach vorne. Jetzt ist es auch einfacher, neue Verkaufsfahrer zu integrieren, die sich früher erst einmal über 600 Artikel mit jeweils 4-stelliger Nummer merken mussten. Nicht zuletzt ist die Stabilität des Systems wesentlich besser. Zu der reinen Modernisierung sind Prozessoptimierungen hinzugekommen, die wir eingeführt haben. Und das ist noch nicht das Ende.

Wie haben Sie es geschafft, etwas zu liefern, was genau den Bedürfnissen der Verkaufsfahrer entspricht?

Barbulescu: Die Kunden, die Verkaufsfahrer, waren Teil des Projekts. Sie haben sozusagen auf dem Whiteboard mitgescribbelt. Eigentlich ist das eine Selbstverständlichkeit – schließlich ist es deren Projekt, deren Baby.

Wir haben die gesamte Mannschaft der Verkaufsfahrer gefragt, wer sich daran beteiligen will. Es haben sich sehr viele gemeldet, aus denen wir dann ganz unterschiedliche ausgewählt haben: unterschiedlich alt, aus unterschiedlichen Ländern, mit unterschiedlicher Sprache, ... Wir haben sie zusammengebracht, um mit ihnen gemeinsam die beste User Experience zu finden. Es ging dabei nicht nur um die Software, sondern auch um die Hardware: bis hin zu einer Handschlaufe am Tablet und besonderen Hosentaschen, in denen es verstaut werden kann.

Als der erste Prototyp da war, hat unsere Verkaufsfahrer-Gruppe direkt damit gearbeitet, und uns ungemein wichtiges Feedback gegeben. Beispiel Display-Sensibilität: Wenn der Regen tropft und das Display ein bisschen zu sensibel ist, haben wir ein Problem.

Als wir dann eine gute Version hatten, war der Rollout sehr einfach und die Akzeptanz bei unseren rund 5.000 Verkaufsfahrern hoch.

Vor welchen Herausforderungen stehen Sie aktuell?

Barbulescu: Viele Projekte sind schon fertig oder im fortgeschrittenen Stadium – jetzt kommen die Businessanforderungen, um die Funktionalität der Produkte zu erweitern. Die Frage ist: Wie schaffen wir es mit begrenzten Ressourcen, alle diese Anforderungen zu matchen? Diese Art von Engpassverwaltung beschäftigt uns momentan.

Um festzulegen, welche Funktionalität wie hoch priorisiert wird, muss man verstehen, welche den größten Benefit bringt. Diese Bewertung ist eine sehr schwierige Aufgabe, denn sie wird schnell emotional. Es kommt zum Pingpong-Spiel zwischen den Teams – und die IT steht dazwischen. Es darf aber nicht danach gehen, wer am lautesten schreit, sondern wir müssen die Priorisierung auf eine sachliche Bewertungsebene bringen.

Wie ist Ihnen das gelungen?

Barbulescu: Wir haben ein operatives Steuerungsteam mit den Hauptakteuren aus IT und Business zusammengestellt, die über ein sehr starkes Prozesswissen aus unterschiedlichen Bereichen verfügen. Sie nehmen diese Bewertung und die gesamte Priorisierung vor und haben die Entscheidungskompetenz für das gesamte Unternehmen. Dadurch erhalten wir Klarheit für die nächsten drei bis sechs Monate.

Zusätzlich haben wir ein Set von KPIs definiert, die für alle gelten. Bei jeder Anforderung muss bewertet werden, ob sie in Bezug auf diese KPIs eine Veränderung bringt. Wenn nicht, wird sie nicht weiter diskutiert. Nein zu sagen ist oft schwierig. Aber genau das ist ein wesentliches Learning: Es ist wichtig, Nein sagen können – nicht, weil man etwas nicht will, sondern um zu hinterfragen, ob eine Anforderung den richtigen Mehrwert bringt.

Früher war das gesamte Managementteam in sehr viele Details involviert. Der schwierigste Part war also: loszulassen und die Verantwortung der Entscheidung an dieses Team zu delegieren. Das erfordert Vertrauen und Mut.

Geht die Transformation bei bofrost* mit einer neuen Führungskultur einher?

Barbulescu: Ja, absolut – aber das soll nicht heißen, dass unsere Führungskultur vorher nicht gut gewesen sei. Vielmehr erfordert jede Phase eines Unternehmens eine bestimmte Führungskultur. In den ersten 45 Jahren waren wir in einer ständigen Wachstumsphase – da brauchte man eine andere Art von Management, die dieses Wachstum ermöglichte. In dem Moment, in dem sich das Wachstum etabliert, muss man sich neu erfinden und man braucht ein transformatives Management.

Das ist es, was ich vor ein paar Jahren in der IT umgesetzt habe. Schließlich ging es nicht um die Verwaltung der Altsysteme, sondern darum, in ganz neue Systeme zu investieren. Dazu haben wir die Managementkräfte, die seit vielen Jahren dabei waren, durch andere ergänzt, die von außen dazukamen. Diese Kombination hat den richtigen Drive in die IT-Organisation gebracht.

Dieses Mindset der Transformation ist unglaublich wichtig – und diese Differenzierung: In welcher Phase befinde ich mich? Das gilt natürlich für das gesamte Unternehmen, nicht nur für die IT.

Was macht ein transformatives Mindset aus?

Barbulescu: Früher wollten wir bei bofrost* immer hundertprozentige Sicherheit haben, bevor wir etwas tun. Keine Fehler zu machen, war sehr stark in der Kultur des Unternehmens verankert. Heute kann man es sich aber nicht mehr leisten, schon eine perfekte Lösung zu haben, bevor man den ersten Schritt macht. Vielleicht reicht auch mal eine 80-Prozent-Lösung, um schnell auszuprobieren, ob etwas funktioniert – statt für eine 100-Prozent-Lösung Zeit und Ressourcen aufzuwenden, um später festzustellen, dass wir sie gar nicht brauchen oder alles viel zu lange gedauert hat. Man braucht Mut, Dinge auszuprobieren und schnellere Entscheidungen zu treffen. Mit der Unsicherheit umzugehen, ist für uns Manager eine der größten Herausforderungen – natürlich nicht nur bei bofrost*.

Was haben Sie bisher auf Ihrer Reise bei bofrost* gelernt, was Sie anderen gerne mitgeben würden?

Barbulescu: Besonders wichtig finde ich, dass bei einer Transformation der technische und der menschliche und organisatorische Aspekt gleichwertig betrachtet werden. Wir müssen von einer Headcount- zu einer Heartcount-Betrachtung kommen – denn die besten Systeme bringen nichts, wenn die Mitarbeitenden sie nicht nutzen.

Wenn von neuen Systemen die Rede ist, muss gleichzeitig immer auch hinterfragt werden, wie reif wir in diesem Thema sind. Wollen wir diese Veränderung wirklich? Was hindert uns dabei? Was brauchen wir dafür – an psychologischer Sicherheit, an Schulungen? Ist unsere IT-Organisation dafür in ihren Rollen richtig aufgestellt? Wie ist die Business-Organisation aufgestellt? ...

Ich habe da sehr gute Erfahrungen mit einer meiner Führungskräfte gemacht. Der Mitarbeiter ist seit vielen Jahrzehnten dabei, hat das Unternehmen mit aufgebaut. Wir hatten einige Konflikte, weil ich aus einer anderen Welt kam. Er hat immer wieder den menschlichen Aspekt mit hineingebracht und mir widergespiegelt, was zu viel ist, wo sich das Team überfordert fühlt. Anfangs dachte ich, er sei einfach ein Neinsager. Doch dann habe ich ihm richtig zugehört und wahrgenommen, was er sagt: die Ängste, Befürchtungen, Aspekte, die ich vielleicht noch nicht gesehen hatte. Ab diesem Moment hatte ich ein ganz anderes Verhältnis zu ihm.

Jetzt erhält er von mir einen Ehren-Oscar! Denn was definiert die Kultur der IT? Einer der Werte, die uns ausmachen, ist, den menschlichen Aspekt der Transformation zu berücksichtigen. Ich bin sehr dankbar, dass meine Führungskraft den Mut hatte, immer wieder offen mit mir zu reden. Er war ein Sprachrohr für die gesamte Organisation.

Ein Tipp ist also: Hör achtsam zu, was deine Organisation dir spiegelt! Nicht jeder hat die Kompetenz und den Mut, dir genau zu sagen, wo das Problem liegt. Viele formulieren zu weich und haben Angst, in eine direkte Konfrontation zu gehen. Das ist die Gefahr, die sehr toughe, straighte Manager haben: Sie bekommen die soften Faktoren nicht mit, die aber eine wesentliche Rolle spielen.

Wie geht die Transformation in den nächsten Jahren bei bofrost* weiter?

Barbulescu: Die vielen Projekte, die parallel gelaufen sind, müssen jetzt integriert werden. Durch die Integration kommt der eigentliche Mehrwert und der wesentliche Business-Benefit für bofrost*. Zum Beispiel ist es wichtig, den eCommerce- mit dem Callcenter-Kanal zu integrieren, den Verkaufsfahrer- mit dem Marketing-CRM. Die jeweiligen Mitarbeiter sollen Zugang zu den für sie relevanten Informationen haben, die kundenbasiert sind – egal, über welchen Kanal uns der Kunde angesprochen hat. Das ist das Wichtigste, was wir erreichen wollen. Dadurch haben wir eine komplett neue Prozesslandschaft, bei der der Kunde im Mittelpunkt steht.

Wir bedanken uns für Ihre wertvollen Einblicke und Tipps – und wünschen Ihnen weiterhin viel Erfolg!

Digitale Transformation bedeutet eine Veränderung der gesamten Art und Weise, wie wir miteinander arbeiten. Das zeigt das Beispiel von Catalin Barbulescu und seinem Team sehr eindrücklich.

Das Mindset, das er vorlebt, ist von dem Mut geprägt, Dinge einfach auszuprobieren, und immer den menschlichen Aspekt bei der Transformation zu berücksichtigen. Catalin Barbulescu macht deutlich, dass jede angestrebte Lösung, sei sie noch so perfekt integriert und effizient, nur dann funktioniert, wenn alle Beteiligten sie auch nutzen wollen. Daher legte bofrost* sehr früh den Fokus darauf, alle betroffenen Abteilungen in die Projekte einzubeziehen, um die verschiedenen Sichtweisen und Problemstellungen zu berücksichtigen.

Was ich nur unterstreichen kann, ist, dass der Prozess der Transformation niemals abgeschlossen ist, sondern genau dieses Mindset der ständigen Veränderung, das Catalin Barbulescu beschreibt, in unserer DNA verankert werden muss.

Jan David Müller (Vertriebsbeauftragter bei SVA)